An der Grenze zwischen Deutschland und Polen liegt eine wunderschöne Landschaft, durch die die Oder fließt. Der in Brandenburg, im Nordosten Deutschlands, gelegene Teil ist der Nationalpark Unteres Odertal und wurde 1995 offiziell zum Naturschutzgebiet mit der höchsten Schutzstufe erklärt. Damit wurde dem Gebiet ein neues Ziel gesetzt: Es sollte zum Gegenpol der Kulturlandschaft werden, das heißt, das Odertal sollte seinen natürlichen Charme und seine Schönheit behalten und Wildnis atmen können. In manchen Bereichen bestimmt die Oder selbst, wie viel Wasser die Landschaft überflutet. Der Mensch zieht sich zurück und überlässt es dem Land, sein eigenes Bild zu schaffen.
Die Landschaft hier ist das Ergebnis der letzten Eiszeit, und es waren die Gletschermassen, die die Täler hinterließen. Der Park ist 50 Kilometer lang, höchstens 5 Kilometer breit und umfasst eine Gesamtfläche von 10.000 Hektar. Das neue Ziel des Parks, das gesetzlich verankert ist, besteht darin, dass der Mensch in absehbarer Zeit auf mehr als 50 % des Gebiets nicht mehr tätig sein wird. Er verfügt über ein Netz von Wander- und Radwegen, die über Wiesen und Deiche führen und von denen aus man einen Blick auf die sich selbst überlassene Landschaft genießen kann. Bei sommerlichem Wetter ist es am besten, einige Teile des Parks mit einem geführten Kanu zu erkunden. In bestimmten Bereichen ist das Schwimmen erlaubt, was in dieser unberührten Landschaft ein aufregendes Erlebnis ist.
Unter den 50 Säugetierarten ragt der europäische Biber heraus, der seine Dämme baut. Der Fluss beherbergt 49 Fischarten, ganz zu schweigen von einer Vielzahl von Insekten, denen die Feuchtgebiete einen geeigneten Lebensraum bieten. Die unberührte Landschaft der Oder wird durch Wiesen voller blühender Blumen ergänzt. Wiesen gelten als der dominierende Lebensraum und nehmen mehr als die Hälfte der Fläche ein. Unter ihnen überwiegt das Schilf, aber auch Blumen wie das Kriechende Moos sind zu finden. Bestimmte Pflanzenarten wie Britischer Oman und Knoblauchzehen sind in Auenwiesen zu finden. Der zweitgrößte Lebensraum im Park sind Mischwälder, die manchmal an steile Flussufer grenzen. Unter den Laubbäumen sind häufig Sommereichen, Eschen oder Erlen zu finden, während es sich bei den Nadelbäumen hauptsächlich um Kiefern oder Fichten handelt.
Erforschen Sie die Natur in Wärme und Komfort
Wenn Sie von der hiesigen Landschaft fasziniert sind und tiefer in ihre Geheimnisse eintauchen wollen, steht Ihnen das seit 2000 geöffnete Besucherzentrum Nationalparkhaus zur Verfügung. Hier können Sie in 13 Ausstellungsbereichen die Landschaft der Oder und ihre Geschichte entdecken. Die naturkundlichen Führungen des Parks ermöglichen es jedem Besucher, sich aktiv an den interaktiven Ausstellungen zu beteiligen. Bei einem Ausflug in die Geschichte kann man sehen, wie Mammuts in der Eiszeit an der Oder lebten, eine slawische Schwedter Festung oder ein mittelalterliches Dorf mit Hilfe von Modellen besichtigen. In einem anderen Bereich haben Sie die Möglichkeit, mehr als 20 Arten von einheimischen Fischen in Aquarien unter die Lupe zu nehmen. Wem Vergangenheit und Gegenwart noch nicht genug sind, der kann in der Multimediashow einen Blick in die Zukunft des Nationalparks werfen.
Attraktiv ist auch ein Modell, das zeigt, wie sich das Wasser in der Landschaft verhält, wenn es über die Auen fließt. Ein weiterer Ausgangspunkt für Führungen kann das 2014 errichtete NATURA 2000 Haus sein. Es beherbergt einen Ausstellungsraum, ein Informationszentrum, ein Schülerlabor und einen Shop, in dem man nicht nur Feldgeräte, sondern auch Artikel zum genaueren Studium der Landschaft wie Ferngläser, Karten und Lupen erwerben kann. Abenteurer und Kinder werden sich vielleicht für die Blumenpresse interessieren, mit der sie ihr eigenes Herbarium aus ihren Streifzügen durch die Umgebung erstellen können.
Wenn Sie einen unverfälschten Blick auf die Natur suchen und nach oben schauen möchten, um möglichst viel von der örtlichen Wildnis zu sehen, können Sie die im Park errichteten Aussichtstürme nutzen. Sie sind ähnlich und nach dem gleichen Prinzip gebaut. Beide sind 11 Meter hoch. Der erste befindet sich in Mescherin und ist leicht mit dem Auto zu erreichen. Er ist nur etwa 150 Meter vom Parkplatz entfernt. Von seiner Höhe aus kann man eine weite, von Wasserläufen durchzogene und mit Schilf bewachsene Landschaft sehen. An diesem Ort hat der Mensch der Natur Platz gemacht, so dass sich das Wasser bei Hochwasser unkontrolliert ausbreiten kann und der Landschaft ihre ursprüngliche Bedeutung zurückgibt.
Der zweite Turm steht direkt am Oderufer, muss aber zu Fuß oder mit dem Fahrrad über Wege und Deiche erreicht werden. Der Aussichtsturm Stützkow bietet einen Panoramablick über das Odertal, und im Winter, wenn der Ort überflutet ist, kann man sogar über die scheinbar endlose Wasserlandschaft blicken. Der Ort ist reich an unzähligen Vogelarten. Erwähnenswert ist auch der Turm am Wrechsee, von dem aus man Kolonien der seltenen und gefährdeten Trauerseeschwalben beobachten kann. Dort befindet sich die größte Seeschwalbenkolonie Brandenburgs.
Auf den Spuren der Geschichte des Menschen
Obwohl die Landschaft so wenig wie möglich von Menschenhand berührt wurde, sind einige Gebäude aus früheren Zeiten erhalten geblieben. In der Gegend befindet sich die Burg Stolpe, die in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erbaut wurde. Heute ist nur noch ein Teil des romanischen Turms, der einst ein Wohnturm war, erhalten. Die Lage oberhalb der grünen Hänge mit Blick auf die umliegenden Wiesen und die mäandrierende Oder ist ein attraktiver Ort der Erholung und des Genusses.
Tabakscheunen, in denen Tabakblätter getrocknet wurden, gibt es in Friedrichsthal seit dem 18. Im 18. Jahrhundert begann der Tabakanbau, und mit dem Aufblühen der Pflanzen entwickelte sich auch der Handel. Die Überreste der Scheunen bestehen nicht nur aus unterschiedlichen Materialien, sondern variieren auch in Form und Größe.
Dieser einzigartige deutsche Auenpark ist aufgrund seiner flachen Landschaft für Wanderer und Radfahrer aller Art zugänglich. Er bietet einen mikroskopischen Einblick in die wilde Welt der vom Flussbett geformten Landschaft, das Leben an den Ufern, in den Wiesen und Wäldern und zeigt, wie unberührte Natur aussieht.